Whiteness Studies und Migration Studies müssen aus Sicht von Professorin Dr. Claudia Sadowski-Smith (Arizona State University) künftig viel st?rker gemeinsam gedacht werden. In ihrem gut besuchten Vortrag am REAF, dem Regensburg European American Forum an der Universit?t Regensburg, skizzierte die derzeitige Gastprofessorin des Leibniz WissenschaftsCampus (LWC) und Autorin von ?The New Immigrant Whiteness“ unl?ngst, wie die USA und verschiedene europ?ische Staaten Geflüchteten aus verschiedenen Teilen der Welt begegnen. Schutzsuchende werden unterschiedlich aufgenommen – auch im Hinblick auf ihre rechtlichen M?glichkeiten und dem, was ihnen die Staaten an M?glichkeiten gew?hren. Abh?ngig ist dies h?ufig vom ?Wei?-Sein“, der Whiteness der Migrant:innen und den Konnotationen, die man dieser zuschreibt. Aber – auch Whiteness hat Nuancen.
In zahlreichen Publikationen hat Claudia Sadowski-Smith die Migration in die Vereinigten Staaten von Amerika aus vergleichender Perspektive beleuchtet, unter anderem den Umgang mit Migrant:innen aus dem postsowjetischen Raum. Aus Sicht Sadowski-Smiths müssen US-amerikanische und europ?ische Forschung künftig Whiteness Studies in Migrationsstudien viel st?rker berücksichtigen als bisher. Wie Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder Sub-Sahara-Afrika 2015 an den Grenzen zu den USA und zur EU empfangen wurden, unterscheidet sich stark von dem, wie man postsowjetischen und mittel-/osteurop?ischen Immigrant:innen begegnet. H?ngt der Erhalt von Rechten für Migrant:innen und Geflüchteten und auch der US-amerikanischer Staatsbürgerschaft davon ab, wie ?wei?“ man ist? Und wie relevant ist Whiteness in Europa?
Die in diesen Monaten aus der Ukraine Flüchtenden sind für Sadowski-Smith exemplarisch. So verl?ngerte man in den USA das sogenannte Lautenberg-Programm für postsowjetische Migrant:innen, das ab 1989 Menschen aus historisch verfolgten Religionen die Einwanderung er?ffnete, sofern sie Familie in den USA hatten.
Etwa 300.000 Menschen jüdischen Glaubens verlie?en laut Sadowski-Smith im Rahmen dieses Programms den postsowjetischen Raum in Richtung USA. Nun k?nnen Ukrainer:innen das Programm bis Ende September 2022 nutzen. Ein aktuelles und speziell geschaffenes humanit?res US-Programm nennt sich ?United for Ukraine“ und offeriert Ukrainer:innen zweij?hrige Aufenthalts- und Arbeitsvisa in den USA.
百利宫_百利宫娱乐平台￥官网e Programme werden in der gesellschaftlichen Debatte oft so aufgenommen, als passten sie in die Tradition des Umgangs mit Migrant:innen aus Süd- und Osteuropa. Im Gegensatz zu Migrant:innen aus Asien war es europ?ischen Migrant:innen in der Regel m?glich, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erhalten, und sie fanden bessere Arbeit als African Americans. Europ?er:innen wurden zwar schlechter bezahlt als gebürtige Amerikaner:innen und auch sozial und kulturell als ?noch nicht komplett wei?“ benachteiligt, doch wurden sie, und vor allem ihre Kinder, nach dem Zweiten Weltkrieg ?ganz wei?“, da ihre sozio-?komische Mobilit?t durch Programme des wachsenden Sozialstaats gef?rdert wurde – mehr als die anderer Amerikaner:innen, erl?utert Sadowski-Smith.
Mechanismen der Integration
Insgesamt, so resümiert die Forscherin, ?passen“ Ukrainer:innen also in die ?US Whiteness“ – ihre Hautfarbe spiegelt vermeintlich europ?ische Identit?t. Wenigstens werden sie von EU-Europ?er:innen und US-Amerikaner:innen mit europ?ischen Wurzeln so wahrgenommen. Oder doch nicht? Ein Blick auf die letzten Jahre zeigt ein differenziertes Bild und Polemik über die ?cultural otherness“ auch wei?er Migrant:innen. Sadowski-Smith skizziert zwei Beispiele: In der Brexit-Debatte mokierten sich EU-Gegner:innen mit rassistischen Bemerkungen über die von polnischen Maniküren und Klempnern verursachte Last auf dem britischen Sozialsystem; die Bundesrepublik Deutschland half, auf dem Bau Arbeitskr?fte aus Rum?nien und Bulgarien anzuwerben und vernachl?ssigte dabei das Regeln arbeitsschutzrechtlicher Fragen. Au?erdem: ?Im amerikanischen Kontext ist der Sozialstaat geschrumpft, der die Integration, oder das ?whitening‘ der europ?ischen Immigranten im letzten Jahrhundert gef?rdert hat, so dass die Mechanismen der Integration sich auch für osteurop?ische Migranten ge?ndert haben“, sagt die Wissenschaftlerin.
Vielf?ltige Zusammenh?nge
In den USA sieht Claudia Sadowski-Smith ?hnliche Ph?nomene und hat bei zahlreichen Interviews mit Migrantinnen aus dem post-sowjetischen Raum viel ?berraschendes gelernt, wie sie sagt. Viele zogen zun?chst nach Westeuropa und verlie?en es wieder in Richtung USA, wo sie sich ?in their category of whiteness“ st?rker an- und aufgenommen fühlten. Nach wie vor werde im Hinblick auf die Akzeptanz dort wenig zwischen gebürtigen Amerikaner:innen und Greencard-Holdern unterschieden, vor allem wenn sie als ?wei?“ empfunden werden. Auch der American Dream – wer hart genug arbeite, schaffe es, auch soziale Mobilit?t zu erlangen – lebe ?als Ideologie“ weiter. Doch sozial mobil zu werden, Vorurteile abwehren und sich problemlos in den ?wei?en Mainstream der Europ?ischst?mmigen“ integrieren, k?nnen viele offenbar auch in den USA nicht, vor allem, weil sich seit der letzten Jahrhundertwende vieles in Sachen Kapitalisums und Sozialstaat ge?ndert habe. Sadowski-Smith zitiert das Postulat der Migrationsforscherin Miri Song, die dazu auffordert ?the changing configurations of migration and race“ viel st?rker zu berücksichtigen und künftig die Zusammenh?nge von Migrationsstatus, Ethnizit?t, Nationalit?t und geopolitischen Faktoren mehr in den Blick zu nehmen, vor allem in Hinsicht auf die gro?en Zahlen von Migrant:innen aus Europa und Eurasien.
Zu Claudia Sadowski-Smiths Resultaten ihrer Untersuchungen im Bundesstaat Arizona geh?rt unter anderem, dass Teile der postsowjetischen Diaspora für mexikanische Migrant:innen hohe Empathie verspüren – unter anderem wegen der komplexen Rechtslage, in der viele mexikanische Migrant:innen sich befinden, aber auch im Hinblick auf ihre staatliche ?berwachung, die viele an pers?nliche Erlebnisse im (post-)sowjetischen Raum erinnern. Gro?e Stolpersteine für Migrant:innen waren die in der Zeit der Trump-Administration gewachsene Anti-Immigrations-Bewegung, in deren Gegenzug auch viele Aktionsgruppen für die Rechte von Immigrant:innen entstanden, wofür sich auch Teile der postsowjetischen Diaspora engagieren.
Transnationale Realit?t
Der Vortrag und die anschlie?ende lebhafte Diskussion, moderiert von REAF Administrative Manager Tamara Heger, machen deutlich, wie viele Fragen der komplexe Zusammenhang von Whiteness und Migration neu stellt, auch im Hinblick auf kulturelle und Gender-Aspekte. Professorin Dr. Julia Faisst, Vertreterin des Lehrstuhls für American Studies, erinnert daran, dass die ukrainischen Geflüchteten derzeit vorrangig Frauen und Kinder sind. Claudia Sadowski-Smith stimmt zu, erg?nzt, in den USA sei das Wissen darum noch gar nicht angekommen. Und wie sieht es mit der postsowjetischen Migrationskultur aus?
Die Forscherin hat dazu unter anderem Reality-TV und Unterhaltungsshows kontextualisiert und gibt Beispiele. Ein Resümee ihres Ansatzes ist, dass keine ?pan-european whiteness“ existiert, sondern transnationale Realit?t das Leben der Migrant:innen kennzeichnet. Das widerspreche dem g?ngigen Paradigma, dass ?ethnisch europ?ische“ Einwander:innen dazu neigten, die Bindungen zu ihren Heimatl?ndern aufzugeben und damit gewisserma?en ?echte Amerikaner:innen“ zu werden. Vielmehr halten sie umfangreiche Verbindungen in ihre Herkunftsl?nder aufrecht, investieren in diesen ihr in den USA verdientes Einkommen und pflegen ihre Muttersprachen und Kulturen intensiv – Aspekte, die nicht-wei?en Migrant:innen h?ufig vorgeworfen würden.
Informationen/Kontakt
Zu Professorin Dr. Claudia Sadowski-Smith (externer Link, ?ffnet neues Fenster)
Zu REAF (externer Link, ?ffnet neues Fenster) – Regensburg European American Forum