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Aktuelles: ?Kultur und Erinnerung. Heimatvertriebene und Aussiedler in Bayern“

Neue Forschungsstelle des IOS und des Lehrstuhls für Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universit?t Regensburg

28. Juli 2022, von Kommunikation & Marketing

  • Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften
  • Forschung

Millionen Heimatvertriebener und Aussiedler fanden nach dem Zweiten Weltkrieg in Bayern eine neue Heimat. Oft unerkannt, beeinflussten sie Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Alltag im Freistaat, gleichzeitig haben sp?ter viele Vertriebene als Brückenbauer in ihre alte Heimat gewirkt. Aspekte dieser kulturellen Integration und des Identit?tswandels in Bayern untersucht seit Sommer 2022 die neu eingerichtete Forschungsstelle ?Kultur und Erinnerung. Heimatvertriebene und Aussiedler in Bayern“. Einzelheiten erl?uterten die Verantwortlichen am Freitag, 22. Juli 2022, in einem Pressegespr?ch am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg. Dabei betonten sie, wie relevant das Thema sowie die Rolle Bayerns als Zufluchtsort derzeit seien, gerade auch angesichts der jüngsten Fluchtbewegung, ausgel?st durch Russlands Angriff auf die Ukraine.


Finanziert wird die Forschungsstelle vom Freistaat Bayern mit 500.000 Euro für einen Zeitraum von zun?chst drei Jahren auf Antrag der Regierungsfraktionen. ?Ich bin stolz darauf, dass es mir gemeinsam mit einigen Kollegen im Bayerischen Landtag gelungen ist, das durchzusetzen“, sagte Sylvia Stierstorfer, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, bei der Vorstellung. Die Landtagsabgeordnete hatte das Projekt ma?geblich angesto?en. ?Denn es ist mir ein wichtiges Anliegen, das ?ffentliche Bewusstsein für die Folgen von Flucht und Vertreibung seit dem Zweiten Weltkrieg zu sensibilisieren. Die Vertreibung und danach die Eingliederung der Heimatvertriebenen hatten eine gewaltige Umw?lzung im Herzen Europas zur Folge. Trotzdem erinnert sich die Gesellschaft heute kaum noch an diesen Umbruch und wie er uns alle gepr?gt hat, dabei stammt in Bayern nahezu jeder Vierte aus einer Familie von Vertriebenen und Aussiedlern“, erinnerte sie. ?Das Thema Flucht und Vertreibung ist nicht nur Geschichte – leider ist es in der Ukraine auch Gegenwart.“

Die Stelle ist eine gemeinsame Einrichtung des IOS und des Lehrstuhls für Geschichte Südost- und Osteuropas der Universit?t Regensburg. ?Regensburg ist der ideale Ort dafür. Wir haben hier nicht nur die n?tige wissenschaftliche Expertise, sondern am IOS und der Universit?t auch eine herausragende Infrastruktur für Forschende. Gerade unsere Bibliothek bietet einzigartige Best?nde mit Literatur zu den Herkunftsregionen von Vertriebenen und Aussiedlern im ?stlichen Europa“, erkl?rte der Wissenschaftliche Direktor des IOS, Prof. Dr. Ulf Brunnbauer.

Die Forschungsstelle ist mit zwei neu geschaffenen wissenschaftlichen Stellen ausgestattet. Sie wird eigene Forschung betreiben und dabei mit Vertriebenenorganisationen kooperieren. Au?erdem soll ein Netzwerk zu Forschenden im ?stlichen Europa aufgebaut werden, die sich mit Flucht und Vertreibung der Deutschen und anderer Minderheiten besch?ftigen. Zudem wird die Forschungsstelle Erkenntnisse an die breite ?ffentlichkeit vermitteln. Geleitet wird sie von Prof. Dr. Katrin Boeckh. Ziel sei es, nachhaltig wirkende Aspekte von Flucht und Integration Vertriebener seit dem Zweiten Weltkrieg aus einer regionalen und übergreifenden sowie europ?ischen Perspektive zu untersuchen, erl?uterte die Historikerin. ?Gleichzeitig blicken wir auf gegenw?rtige Entwicklungen. Denn Zwangsmigration gro?er Bev?lkerungsteile ist auch ein Ph?nomen des 21. Jahrhunderts. Ich habe erlebt, dass gerade die Vertriebenenverb?nde aufgerüttelt sind durch das Schicksal der Menschen, die aus der Ukraine fliehen. Wir wollen auch die Erfahrungen dieser Menschen durch Interviews greifbar machen und in einen historischen Kontext setzen zum Schicksal der nach Bayern vertriebenen und geflüchteten Deutschen.“

Als Vorsitzender des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen im Bayerischen Landtag hatte Josef Zellmeier die Finanzierung vorangetrieben. Zellmeier, der zugleich Vorsitzender der Karpatendeutschen Landsmannschaft Slowakei in Bayern ist, betonte: ?Durch die hervorragende Integration sind Kultur und Geschichte der deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler sowie ihre besonderen Leistungen für den Aufbau unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg selbst in den Familien mit entsprechendem Hintergrund zu wenig verankert.“ Daher ist dem Landtagsabgeordneten die Forschungsstelle besonders wichtig: ?Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, diese Lücke im Bewusstsein der gesamten Bev?lkerung zu schlie?en. Deshalb freue ich mich sehr über dieses wichtige Forschungsprojekt“, sagte er.

Zuspruch erh?lt die Forschungsstelle auch von den Betroffenen. So sah es etwa Paul Hansel, der aus einer Familie, die aus Schlesien vertrieben wurde, stammt, und langj?hriges Mitglied im Landesvorstand des Bundes der Vertriebenen (BdV) sowie im Stiftungsrat des Kulturwerkes Schlesien ist, ganz ?hnlich. ?Für uns Landsmannschaften ist eine solche Forschungsstelle von ganz besonderer Bedeutung, vor allem, was Aussiedler und Sp?taussiedler angeht, zu deren Geschichte es bislang nur wenig Forschung gibt“, sagte Hansel. Als ehemaliger bayerischer Gymnasiallehrer findet er au?erdem: ?Wünschenswert w?re es, wenn das Thema zudem mehr Beachtung in den Lehrpl?nen unserer Schulen findet."

Bild, von links: Prof. Dr. Katrin Boeckh, Wissenschaftliche Leiterin der Forschungsstelle ?Kultur und Erinnerung. Heimatvertriebene und Aussiedler in Bayern“, Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung - Josef Zellmeier, MdL, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bayerischen Landtag und Landesvorsitzender der LM der Karpatendeutschen (Slowakei) in Bayern - Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung - Sylvia Stierstorfer, MdL, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene - Paul Hansel, Bund der Vertriebenen 
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