Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Restaurant, bringen die Zutaten für Ihr Essen mit, kochen selbst und zahlen dann nicht wenig dafür, dass man Ihnen dieses Essen auf einem Teller serviert. Absurd? So funktioniere wissenschaftliches Publizieren heute weltweit, sagt Tony Ross-Hellauer, PhD, der an der Universit?t Graz (externer Link, ?ffnet neues Fenster) zu Wissenschaftspolitik und Open Science forscht. Die Ver?ffentlichung von Forschungsergebnissen in renommierten Journalen ist aufwendig, kostspielig und für akademische Karrieren auch 2023 nicht unerheblich. Warum ver?ffentlichen Wissenschaftler*innen nicht einfach direkt im Internet? Warum machen sie Forschungsergebnisse, Daten, Methoden nicht kostenfrei zug?nglich?
Von Open Science würden alle profitieren, davon sind Ross-Hellauer, Informationswissenschaftler mit Abschlüssen in Philosophie und Bibliothekswissenschaften und Professor Dr. Bj?rn Brembs, Neurobiologe an der Universit?t Regensburg, fest überzeugt. Auf Einladung der Graduiertenschule Ost- und Südosteuropa (UR) und des Leibniz-WissenschaftsCampus ?Europe and America in the Modern World“ diskutierten die beiden Wissenschaftler das Thema unl?ngst mit Lehrenden und Forschenden aus Geistes- und Sozialwissenschaften der Universit?t Regensburg und des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS).
Transparency, Access, Participation – Wissenschaft soll den Kriterien der Transparenz, der Zug?nglichkeit, der Teilhabe folgen: 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Ideen liegen Open Science zugrunde. Alle sollen die Chance haben beizutragen, Forschungsdaten sollen ?ffentlich zug?nglich sein, Methoden und darauf basierende Ergebnisse frei verteilt und reproduziert werden k?nnen. Warum?
Because we can? Because we should?
?Der heutige Stand wissenschaftlicher Kommunikationswege“, sagt Ross-Hellauer, ist ein ?Prozess aus dem 19. Jahrhundert, den wir an ein Kommunikationsformat aus dem 17. Jahrhundert anpassen“. Gedruckte Journale, Fachzeitschriften, die man zwischenzeitlich auch als PDF herunterladen kann: ?Langsam aber sicher passen wir uns eben doch der Web-Technologie von 1995 an.“ Die Heiterkeit im Publikum weicht der Nachdenklichkeit, als Ross-Hellauer daran erinnert, dass Wissensproduktion aus ?ffentlichen Geldern gespeist wird und damit ?ffentliches Gut ist, das allen zug?nglich sein sollte. Und vielleicht sei ein weiterer Grund, dass der Status quo vielleicht nicht ideal ist? Because the way we do things currently isn’t going great?
Eine Vielzahl von Praktiken fiele unter Open Science: Offener Zugang zu Publikationen, Software, Methoden und nicht zuletzt Daten – sie sollen FAIR sein, findable, accessible, interoperable, reusable. Auch die Teilhabe aller Bürger*innen an wissenschaftlichen Projekten, Citizen Science, ist ein Trend, der sich verfestigt. Ob das Z?hlen von Eichh?rnchen oder die Zuschaltung zu NASA-Konferenzen: Wer will, kann heute an wissenschaftlichen Untersuchungen aktiv teilnehmen, sich am Sammeln von Daten beteiligen, darüber abstimmen, in welche Richtung Forschungsprojekte gehen sollen. Das gilt nicht nur für Natur- oder Lebens-, sondern auch für Geistes- und Sozialwissenschaften. Schlie?lich: Gutachter*innen und Autor*innen k?nnten bei Evaluationsverfahren oder Peer Reviews explizit voneinander Kenntnis haben.
Do you hate open science?
Das vorwiegend geisteswissenschaftliche Publikum von Ross-Hellauer und Brembs beantwortet diese Frage mit Nein, unterstützt die Momente Transparenz, Zug?nglichkeit, Teilhabe; ist einig mit Referent Bj?rn Brembs, Naturwissenschaftler, dass der Schutz von Personen, in etwa in der Medizin, der Schutz der Pers?nlichkeitsrechte von Patient*innen gew?hrleistet sein muss. Brembs, überzeugt von Open Science, stellt eine Frage in den Raum, die im Laufe der Diskussion immer wieder aufgegriffen wird: ?Warum diskutieren wir 2023 immer noch ein Potenzial, das wir seit 1995 h?tten nutzen k?nnen?“
Culture change? Collective action?
Es sind Privatpersonen und Unternehmen, die Plattformen hosten und betreiben, auf denen Wissenschaft ?stattfindet“. Die wissenschaftliche Community hat keinerlei Plattform, die sie selbst beherrscht. Brembs weist darauf hin, dass viele Mitglieder der Scientific Community im Hinblick auf die letzten Ereignisse bei Twitter überlegen, den Dienst zu verlassen und zu Mastodon zu wechseln. Aber letzteres ist kompliziert und wenig beliebt. Zugleich komme ein erfolgreicher Wissenschaftler an pers?nlichen Social-Media-Accounts nicht mehr vorbei, glaubt Brembs. Warum also finden die Wissenschaftler*innen weltweit nicht zueinander und nutzen seit 15 Jahren vorhandene Technologie nicht in ihrem Sinne und letztlich dem der Allgemeinheit? Lieferten sich stattdessen sogar einzelnen Exzentrikern aus? ?We have a collective action problem“, sagt Brembs.
Verschiedene weitere Erkl?rungsans?tze tauchen auf – einer davon ist, dass manche den Prinzipien offener Vorhaben einfach skeptisch gegenüberstehen. Technische Unkenntnis wird ins Feld geführt, aber auch der Unwillen, Erkenntnisse zu teilen; schlie?lich die Angst davor oder das Wissen darum, dass man viel Zeit investieren müsse, um das zug?nglich Gemachte auch verst?ndlich darzustellen.
Professor Dr. Ulf Brunnbauer, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-WissenschaftsCampus und des IOS, erinnert an die jüngsten Ausführungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und an die UNESCO-Empfehlung zu Open Science, die Momente Inklusion und Sprachenvielfalt. Mühsame Archiv-Arbeit ganzer Forscher*innen-Generationen lie?en sich durchaus würdigen. Bei Forschungsprojekten ermittelte Meta-Daten lie?en sich auch in den Geisteswissenschaften in vielen F?llen nützlich verwenden, würden sie geteilt. Dass nicht alles für alle ?ffentlich gemacht werden k?nne, sagt Brunnbauer, sei klar: ?But what we need to establish is an ethos of sharing.“ Ross-Hellauer empfiehlt strategisch vorzugehen, mehr Beispiele an die Hand zu geben, was m?glich ist, Anreize zu schaffen und so den aus seiner Sicht unabdingbaren Kulturwandel herbeizuführen.
Weiterführende Informationen
Zu den Referenten der Veranstaltung (externer Link, ?ffnet neues Fenster)
Die Position der UNESCO zu Open Science (externer Link, ?ffnet neues Fenster)