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Aktuelles: Klimawandel: Handeln und Recht im Globalen Süden

Yi Yi Prue, indigene Anw?ltin aus Bangladesch, appelliert in ihrem Vortrag an der Universit?t Regensburg eindringlich, die armen und marginalisierten Gruppen weltweit nicht zurückzulassen

13. Juni 2023, von Tanja Wagensohn

  • Rechtswissenschaft
  • Forschung
  • Nachhaltigkeit

?Klimama?nahmen sollten die Rechte aller respektieren!“ Yi Yi Prue, indigene Juristin aus Bangladesch, setzt sich für diejenigen ein, deren Stimmen nicht geh?rt werden. Am 15. Mai 2023 hielt Prue einen Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe Climate Change: Action and Law in the Global South and Beyond the West an der Universit?t Regensburg. Sie sprach auf Einladung von Professorin Dr. Rike Kr?mer-Hoppe, Professur für Transnationale Normentwicklung, und Paul Vickers, Gesch?ftsführer des Departments für Interdisziplin?re und Multiskalare Area Studies (DIMAS) und des Leibniz-WissenschaftsCampus Europa und Amerika in der modernen Welt. Die leidenschaftliche Klimaaktivistin und engagierte Anw?ltin Prue setzt sich für die indigenen Gemeinschaften der Marma sowie der Munda und Tamang ein. Im Januar 2020 geh?rte Prue zu den Anw?ltinnen und Aktivisten, die eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die unzureichenden deutschen Klimaschutzma?nahmen führten. 

Klima und Katastrophen

"Ich bin mit den Auswirkungen der Klimakrise aufgewachsen und war selbst betroffen, als ein Erdrutsch w?hrend des Monsuns die H?user unserer Nachbarn weggerissen hat", sagt Prue, der die Katastrophe noch heute lebhaft in Erinnerung ist. Sie ereignete sich im Jahr 2017 und hinterlie? tiefen Eindruck bei ihr. Der Monsun werde überall st?rker, sagt sie, und: "Die Menschen leiden." In ihrem interaktiven Gespr?ch mit den Studierenden, Kr?mer-Hoppe und Vickers, gibt die Juristin alarmierende Einblicke in die Umweltsituation und das Leben der Menschen in Bangladesch und Nepal.
Zu denen, die von den vielf?ltigen Krisen des Klimawandels betroffen sind, geh?rt die indigene Gemeinschaft der Munda: Ihre Mitglieder verdienen ihren Lebensunterhalt als Tagel?hner auf dem Bau, in der Landwirtschaft und in der Fischerei. Ihr Durchschnittseinkommen betr?gt etwa eineinhalb US-Dollar pro Tag. Vor kurzem hat Yi Yi Prue dem UN-Menschenrechtsbüro einen Bericht über die Situation der Gemeinschaft w?hrend der COVID-19-Pandemie und über die durch die Klimakrise verursachte Zerst?rung vorgelegt.

Korruption und schlechte Regierungsführung

Erdrutsche, Erosion und Dürre haben die landwirtschaftlichen Anstrengungen in den l?ndlichen Gebieten Bangladeschs und Nepals fast zunichte gemacht. Die meisten Menschen sind jedoch auf die Landwirtschaft angewiesen, um ihr Einkommen zu sichern. Neben erodierten B?den ist schlechte Regierungsführung ein zentrales Problem. Viele Gemeinden würden diskriminiert, berichtet Prue, zum Beispiel bei der Verteilung von Wasser. "Korruption ist ein gro?es Problem, wenn es um Gerichtsverfahren geht", sagt die Juristin, unter anderem auch, wenn es um Initiativen für erneuerbare Energien gehe. Nichtregierungs-Organisationen (NGOs), die Katastrophenmanagement, Baumpflanzungen oder Abfallrecyclingprojekte unterrichten, seien zwar wichtig, aber immer noch unzureichend.

Prue fordert, in bessere Arbeitsbedingungen, Bildung und Infrastruktur sowie in die Gew?hrleistung politischer Rechte zu investieren. ?Wir brauchen mehr langfristige Initiativen und müssen dadurch Ver?nderungen in der Gemeinschaft bewirken. Es ist notwendig, junge Menschen zu unterstützen, die etwas tun wollen", argumentiert Prue und forderte ?nderungen in der Gesetzgebung und staatliche Ma?nahmen.

Yi Yi Prue zufolge ist die Klimagesetzgebung in Bangladesch eher begrenzt. Dennoch gebe es in Bangladesch verschiedene Gesetze, die sich mit ?kologischen Fragen befassen, wie das Wald- und Umweltschutzgesetz und das Umweltgerichtsgesetz. Das Land habe auch mehrere Aktionspl?ne entwickelt, die sich mit den Auswirkungen der Klimakrise und der Anpassung an sie befassen, zum Beispiel einen nationalen Anpassungsplan und einen Plan für Katastrophenmanagement. ?Beide versuchen Antworten darauf zu finden, wie das Land in Zukunft mit den Auswirkungen des Klimawandels zurechtkommen kann", sagt Prue. {web_name} sei anders als in Deutschland, wo sich die Debatten vor allem auf die Emissionsminderung und die Klimaneutralit?t konzentrierten, so Prue weiter.

?Das Ziel, dass der globale Temperaturanstieg bis zum Ende dieses Jahrhunderts unter 2C oder besser 1,5C gehalten werden muss, um die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden, kann nur erreicht werden, wenn viel mehr Fragen der Klimagerechtigkeit angegangen werden.“ Die Juristin appelliert eindringlich, Minderheiten nicht zurückzulassen, und schlie?t ihre Ausführungen mit dem Hinweis auf ein Gerichtsurteil vom Oktober 2021, in dem die Rechte indigener Gemeinschaften berücksichtigt werden: Der oberste Gerichtshof Norwegens entschied damals, dass zwei Windparks in Westnorwegen Rentierzüchter aus dem Volk der Sami sch?digen, weil sie ihre Weidegründe beeintr?chtigten. 151 Turbinen auf der Halbinsel Fosen, deren Bau im Jahr 2020 abgeschlossen wurde und die Teil des gr??ten Onshore-Windparks in Europa sind, mussten abgerissen werden. Prue ruft dazu auf, Minderheiten Geh?r zu schenken und sieht darin eine M?glichkeit, für Klimagerechtigkeit zu sorgen: "Klimama?nahmen? Ja! Aber auf eine Art und Weise, die die Rechte aller respektiert, insbesondere von bereits marginalisierten Gruppen wie Frauen und indigenen Gemeinschaften."

Der globale Süden und Deutschland

"Ist das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts grunds?tzlich ein Erfolg für den Globalen Süden?", fragt Rike Kr?mer-Hoppe. Ja, antwortet Prue, zumindest wenn es darum gehe, dass ?das Gericht uns anerkannt hat, dass unsere Stimmen geh?rt werden“. Dennoch fehle es weiterhin an staatlichem Handeln. Die Wahlen in Bangladesch, so die Aktivistin, würden nicht vom Klimawandel beeinflusst, und es fehle generell an Vertrauen in die politischen Eliten. Gleichzeitig sei es eine Frage des unbedingt zu sch?rfenden Bewusstseins für die Probleme, fügt sie hinzu. Als sie die Einreichung der Verfassungsbeschwerde unterstütze, schlug man ihr vor, sie solle sich stattdessen doch auf Unternehmensf?lle konzentrieren – mit diesen verdiene man Geld und verschwende keine Zeit.

Ein Student fragte Prue nach ihrer Einsch?tzung der Situation in Deutschland: "Wenn die Menschen in Deutschland mehr über das Klima wüssten - denken Sie, das würde helfen, die Gesetzgebung zu verbessern?"  Prue denkt, dass die Menschen in Deutschland mehr über Nachhaltigkeit sprechen als in anderen L?ndern. ?Aber ich sehe dieses nachhaltige Leben in Deutschland nicht.“ Sie geht davon aus, dass die Menschen in Deutschland mehr Druck auf ihre Regierung ausüben und sich für den Klimaschutz einsetzen müssten. Darüber hinaus ist Prue überzeugt, dass es hilfreich w?re, wenn industrielle Flaggschiffe, wie z. B. gro?e Auto- oder Luftfahrtunternehmen, sich für den Klimaschutz einsetzen würden. Alle müssten ihren Beitrag leisten. ?Wir haben nur einen Planeten“, sagt YiYi Prue leidenschaftlich, ?Wir müssen ihn retten!“

twa.

Informationen/Kontakt

YiYi Prue sprach im Rahmen der Ringvorlesung Climate Change: Action and Law in the Global South and Beyond the West (externer Link, ?ffnet neues Fenster) , organisiert von Prof. Dr. Rike Kr?mer-Hoppe (DIMAS/Fakult?t für Rechtswissenschaften) und Dr. Paul Vickers (DIMAS/Leibniz-WissenschaftsCampus).

Department for Interdisziplin?re und Multiskalare Area Studies der Universit?t Regensburg DIMAS (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Leibniz-WissenschaftsCampus (externer Link, ?ffnet neues Fenster)'Europa und Amerika in der modernen Welt'

Rike Kr?mer-Hoppe on the decision by the German Constitutional Court in “Neubauer et al. versus Germany. Kr?mer-Hoppe, R. (2021). The Climate Protection Order of the Federal Constitutional Court of Germany and the North-South Divide. German Law Journal, 22(8), 1393-1408. doi:10.1017/glj.2021.84 (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Zum Beschluss des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zul?ssigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Ma?gaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Interview mit YiYi Prue (externer Link, ?ffnet neues Fenster), Decolonization in Action Podcast

Foto: Wagensohn/UR
Yi Yi Prue und Prof. Dr. Rike Kr?mer-Hoppe (r.) bei der Ringvorlesung "Climate Change. Law and Action in the Global South."
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