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Aktuelles: Die K?fer t?ten - oder dem Experimentator trotzen?

Experiment zur Konflikterfahrung und - verarbeitung bei Gehorsam gegenüber Autorit?t - Nature Scientific Report - Aus der Psychologie

20. Juli 2023, von Psychologie

  • Humanwissenschaften
  • Forschung

Fast alle Menschen lehnen Gewalt gegen andere Menschen oder aber andere Lebewesen ab. Gleichzeitig stellt der Umstand, dass im Kontext von Gehorsamssituationen Versuchspersonen zu eben solchen Taten gedr?ngt werden, die moderne psychologische Forschung vor eine kaum l?sbare ethische Herausforderung. Eine Forschungsgruppe der Psychologie mit Mitgliedern aus Regensburg, G?ttingen und Würzburg stellte sich dieser Herausforderung und untersuchte das Konflikterleben von gehorsamen Versuchspersonen mit Hilfe der so genannten ?K?ferzerst?rungsaufgabe“.

Ein Experimentator wies dabei die Teilnehmer*innen an, K?fer in einer manipulierten elektrischen Kaffeemühle zu zermahlen. Selbstverst?ndlich kam kein K?fer tats?chlich zu Schaden. Die Forschungsgruppe baute dabei auf den Befunden anderer Forschender auf, die zeigten, dass Menschen bei Gewalt gegenüber Tieren und insbesondere Insekten deutlich weniger Skrupel haben als bei Gewalt gegenüber anderen Menschen. Dennoch l?st das sinnlose T?ten von K?fern bei vielen Menschen einen (vergleichsweise kleineren) moralischen Konflikt aus.

Gehorsam und Zerst?rung

In der Psychologie wird Gehorsam als Bereitschaft verstanden, den Forderungen einer Autorit?tsperson selbst dann nachzukommen, wenn diese mit den eigenen Wertvorstellungen in Konflikt stehen. So zeigte der Sozialpsychologen Stanley Milgram in den 1960er Jahren, dass eine gro?e Mehrheit von Versuchspersonen dazu bereit war, einer anderen Person (vermeintlich) lebensbedrohliche Elektroschocks zu verabreichen, solange Sie auf Anweisung einer legitimen Autorit?t handelten. Selbstverst?ndlich kam dabei niemand tats?chlich zu schaden. Doch diese schwer nachzuvollziehende Spannung zwischen dem Konflikterleben vieler Versuchspersonen auf der einen und dem Nachgeben gegenüber der Autorit?t auf der anderen macht Gehorsam zu einem der faszinierendsten Ph?nomene der Psychologie.

Um das Gehorsam zugrunde liegenden Konflikterleben sichtbar zu machen, umfassten die beiden Experimente der Forschungsgruppe neben der ?K?ferzerst?rungsaufgabe“ je zwei weitere Zerst?rungsaufgaben, in denen andere Objekte (u. a. Kaffeebohnen) zerst?rt werden sollten. Zudem untersuchten die Experimente jeweils eine Experimentalgruppe und eine Kontrollgruppe: In der Experimentalgruppe wurden die Versuchspersonen angewiesen, die Objekte ebenso wie die K?fer in der Kaffeemühle zu ?zerst?ren“; in der Kontrollgruppe wurden die Versuchspersonen immer wieder daran erinnert, dass die finale Entscheidung (zerst?ren oder nicht zerst?ren?) bei ihnen selbst lag. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr Teilnehmer*innen in der Experimentalbedingung dazu bereit waren, die K?fer (vermeintlich) zu t?ten. Zudem berichteten alle Versuchspersonen mehr Aufregung und Unbehagen nach der K?ferzerst?rungsaufgabe relativ zu den anderen.

Konfliktl?sung

In Experiment 2 nahmen die Forschenden auch den Konfliktl?sungsprozess unter die Lupe. Als physiologisches Ma? für Aufgeregtheit wurde die Hautleitf?higkeit der Versuchspersonen gemessen. Dabei zeigten gehorsame Teilnehmer*innen nach der vermeintlichen K?ferzerst?rung einen Anstieg der Hautleitf?higkeit; ungehorsamen Versuchspersonen hingegen zeigten keinen solchen Anstieg. Zudem wurde das Kontroll- und Verantwortungsgefühl der Versuchspersonen hinsichtlich ihrer Taten abgefragt. Im Widerspruch zu einer der prominentesten Gehorsamstheorien der Psychologie bekannten sich die allermeisten Gehorsamen zu ihrer Verantwortung für den vermeintlichen Tod der K?fer. Damit konnte Verantwortungsdiffusion bzw. -unklarheit als Erkl?rung für Gehorsam ausgeschlossen werden.

Take-Home-Messages

Auch wenn die Frage, warum Menschen gehorsam sind, mit den Experimenten noch nicht gekl?rt werden konnte, boten die Forschenden eine neue Erkl?rung an. {web_name}e basiert auf der Hypothese, dass Menschen dazu neigen mit anderen zusammenarbeiten, selbst wenn sie dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Im Kontext der K?ferzerst?rungsaufgabe ringen die Versuchspersonen daher mit einem doppelten Pflichtgefühl: Einerseits fühlen sie sich moralisch den K?fern verpflichtet; andererseits wollen sie ihre Zusagen an den Experimentator nicht entt?uschen. Wies der Experimentator in der Kontrollgruppe auf die individuelle Entscheidung der Versuchsperson hin, so schien die moralische Verpflichtung gegenüber den K?fern zu dominieren und die meisten Versuchspersonen verweigerten die Gefolgschaft. Tat er das nicht, so dominiert das Pflichtgefühl gegenüber dem Experimentator und die meisten Versuchspersonen zerst?ren widerwillig die K?fer.

Die Forschenden formulierten auch zwei Take-Home-Messages für ihre Leser*innen: Menschen scheinen sich einer anf?nglichen Zustimmung gegenüber selbst dann verpflichtet zu fühlen, wenn deren Konsequenzen zulasten ihre eigenen Interessen (wenn nicht sogar ihres Wohlbefindens) gehen. Zweitens sollte man das Ausbleiben von Verweigerung bei anderen nicht mit einem Ausdruck von deren individuellen ?freien Willen" verwechseln. (Grafik: Felix G?tz)

Originalpublikation

G?tz, F.J., Mitschke, V. & Eder, A.B. Conflict experience and resolution underlying obedience to authority. Sci Rep 13, 11161 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-38067-z (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Grafik zum Vorgang des K?fer-Zermahlens.

Kontakt aufnehmen

Dr. Felix G?tz

Institut für Psychologie
Universit?t Regensburg
Telefon: +49 941 943 2233
E-Mail: Felix-Johannes.Goetz@ur.de

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