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Aktuelles: Sind geschlechtsspezifische Anreden wie "Herr", "Frau" oder "m/w" datenschutzkonform?

Der EuGH hat mit Urteil vom 09.01.2025 darüber entschieden, ob die Pflichtangabe der Anrede datenschutzrechtlich zul?ssig ist. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt wurden Kundinnen und Kunden dazu aufgefordert, beim Erwerb eines Online-Fahrscheins ihre Anrede anzugeben. Welche Schlussfolgerungen sich aus diesem Urteil für Hochschulen und Beh?rden ergeben, soll im Folgenden eruiert werden.

06. M?rz 2025, von ?zlem Keskin

Ist die Erhebung der Anrede zum Zwecke der anschlie?enden personalisierten Ansprache erforderlich?

Mit dieser Frage besch?ftigte sich der EuGH zuletzt im gegenst?ndlichen Urteil und h?lt im Ergebnis fest, dass eine solche Erhebung im Rahmen der Vertragsabwicklung aus folgenden Gründen nicht zwingend ist:

Die allgemeine Verkehrssitte in der gesch?ftlichen, privaten und beh?rdlichen Kommunikation sei hierfür kein ausreichendes Argument. Denn in der Regel sei die geschlechtsspezifische Anrede nicht für die Vertragserfüllung erforderlich. Entscheidend für eine Erforderlichkeit sei, dass die Verarbeitung für die Vertragserfüllung wesentlich ist und daher keine praktikablen und weniger einschneidenden Alternativen bestehen; die allgemeine H?flichkeitsformel allein begründe noch keine Pflicht zur Kommunikation der Geschlechtsidentit?t.

Was gilt für Hochschulen?

Denkbar ist zwar eine Pflichtangabe im Rahmen von Bef?rderungsvertr?gen wie aus o.g. Urteil durchaus, z.B. bei einer Reise in Nachtzügen mit Waggons, die für Personen mit derselben Geschlechtsidentit?t reserviert sind; in der Regel ist aber eine solche Angabe nicht zur Vertragserfüllung im ?ffentlichen Dienst im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO notwendig.

Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO in Verbindung mit dem BayHIG kann die Erhebung der Anrede aber im Rahmen der Hochschulaufgaben beispielsweise in folgenden F?llen erforderlich sein:

  • Programme/Projekte innerhalb der Hochschule, die lediglich an weibliche Personen gerichtet sind (z.B. Mentorinnen)
  • Einhaltung der Frauen-Quotenregelung
  • Empirische Erhebungen, bei denen für die Forschungsfrage eine geschlechtsdifferenzierte Auswertung erfolgen muss (Anrede und Geschlecht werden hierbei auch zu anderen Zwecken als der pers?nlichen Kommunikation erhoben; dann erscheint auch eine geschlechtsspezifische Anrede aus datenschutzrechtlicher Sicht gerechtfertigt)

Soweit eine Hochschule also die Angabe der Anrede allein zum Zweck der personalisierten Anrede heranziehen m?chte, müsste dies für den Hauptgegenstand des Vertrags erforderlich sein. Wenn dem nicht so ist, und auch keine dahingehende Einwilligung vorliegt, sollte bei M?glichkeit auf die Erhebung der Anrede g?nzlich verzichtet und auf Alternativen wie "Guten Tag" zurückgegriffen werden. Aufgrund der Grunds?tze der Richtigkeit und Aktualit?t von Daten gem. Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO sollte hierbei zumindest die M?glichkeit der Wahl einer geschlechtsneutralen Anrede angeboten werden (z.B. "divers", "keine Angabe").


EuGH, Urteil vom 09.01.2025 (C-394/23)

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