Im Rahmen der Interdisziplin?ren Lehrerfortbildung ?Ende der Zeitzeugenschaft – Zukunft der Erinnerung?“ fand am Donnerstag, 16. November, eine Podiumsdiskussion mit dem Shoa-?berlebenden Ernst Grube, dem Leiter KZ-Gedenkst?tte Flossenbürg, Prof. Dr. J?rg Skriebeleit und der Fachreferentin für Geschichte am Gymnasium am ISB, Dr. Monika Müller, statt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Regina Schuhbauer (Zentrum Erinnerungskultur). Die Podiumsdiskussion war Teil des Begleitprogramms der Ausstellung ?Ende der Zeitzeugenschaft?“, die noch bis Juli 2024 im Oberen Foyer der Universit?tsbibliothek Regensburg zu sehen ist.
Im sehr gut gefüllten H?rsaal 24 der Universit?t Regensburg diskutierten Ernst Grube, Prof. Dr. J?rg Skriebeleit und Dr. Monika Müller in Anwesenheit von u.a. Universit?tspr?sident Prof. Dr. Udo Hebel, Prof.in Dr. Ursula Regener, Vizepr?sidentin für Internationalisierung und Diversity und Prof.in Isabella von Treskow, Beauftragte für die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Kunst der Universit?t Regensburg, aus unterschiedlichen Blickwinkeln ihre praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse aus jahrelanger engagierter p?dagogischer Vermittlungsarbeit. Herausforderungen, insbesondere das Erinnern im postmigrantischen Klassenzimmer, kamen in der Diskussion ebenso zur Sprache wie aktuelle Kritik an der deutschen Erinnerungskultur.
So beschrieb Ernst Grube, Shoa-?berlebender und Zeit seines Lebens in der Vergangenheits- und Aufarbeitungspolitik aktiv, zu Beginn der Diskussion seine negativen Erfahrungen in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und wie sich die gesellschaftliche Funktion der Zeitzeug*innen seit Ende des 2. Weltkrieges fundamental ge?ndert hat, von der Ablehnung der Nachkriegsgesellschaft hin zu einer Inbesitznahme durch die heutige Gesellschaft mit dem Bedürfnis nach einem moralischen Kompass. ?In der Bundesrepublik wollte man sich nicht erinnern. Meine Familie hat keine Anerkennung gefunden. Es gab keine Unterstützung und fast keine soziale Hilfe. Darüber wollte und habe ich von da an dann erz?hlt. Nicht als Zeitzeuge, sondern als ?berlebender des Faschismus, als ?berlebender der Nazi-Verfolgung“, beschrieb Grube die Situation in eindrücklichen Worten. In der Folge habe er begonnen mit den Menschen darüber zu sprechen, wie eine Entwicklung, von der ?Ausgrenzung und der Ablehnung bis zur Vernichtung und T?tung von Menschen“, vonstattengeht. Bis in die 1980er-Jahre hinein, sei es ihm als jüdisch-Verfolgter der NS-Zeit aber nicht m?glich gewesen, seine Geschichte in den Klassenzimmern der Bundesrepublik Deutschland zu erz?hlen. Er berichtete von der tiefen Entt?uschung, zu sehen, dass diejenigen, die wegen ihrer politischen Einstellung jahrelang in den Lagern der Nationalsozialisten eingesperrt waren auch nach Kriegsende weiter verfolgt wurden, ?wenn sie Kommunisten oder Links waren.“ Grube berichtete von Veranstaltungen, die von der Polizei gestürmt wurden, von Schikane und wie er von der Polizei verprügelt und mehrfach verhaftet wurde. Trotzdem habe er nie aufgeh?rt, die Geschichte zu erz?hlen. ?Die Zeitzeugenschaft hat für mich gro?e Bedeutung. Sie hat mein Leben in den zurückliegenden Jahrzehnten bestimmt“, so Grube. Auch wenn er pers?nlich immer das pers?nliche Gespr?ch bevorzugen würde, verschlie?e er sich deshalb auch keinem modernen ?Medium“. Mittlerweile wurde von Ernst Grube ein dreidimensionales Zeitzeugeninterview, ein sog. ?volumetrisches Zeitzeugeninterview“ angefertigt. Seine einzige Bedingung hierfür: Er wolle ?nicht zu einer Konserve werden, die auf alles eine Antwort hat.“
Prof. Dr. J?rg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkst?tte Flossenbürg, best?tigte die ?zu sp?te“ Anerkennung und Aufmerksamkeit für ?berlebende des NS-Regimes. Zudem beschrieb er eine, bis heute spürbare, Stigmatisierung von u.a. als in der NS-Zeit als ?asozial“ verfolgten Personen. ?Es gibt bis heute nur einen Zeitzeugenbericht einer als asozial verfolgten Frau. {web_name}e Menschen haben nicht gesprochen, sie konnten nicht sprechen, ihnen wollte keiner zuh?ren. Es ist eine Gruppe von Menschen, die nicht als Opfer anerkannt sind und bei denen die Bilder des rassistischen, nationalsozialistischen Stigmas bis heute wirken.“ Der Bericht dieser einen Zeitzeugin ist in der Ausstellung ?Ende der Zeitzeugenschaft“ zu h?ren. Bezüglich der modernen technischen M?glichkeiten der Bewahrung von Zeitzeugenberichten, wie den volumetrisches Zeitzeugeninterviews, zeigte sich Skriebeleit skeptisch. Natürlich arbeite auch die KZ-Gedenkst?tte Flossenbürg mit digitalen Medien, jedoch warnte er auch vor dem ?digitalen Reflex“, dass alles, was digital ist, auch automatisch besser ist. ?Moderne Technik gibt ganz neue M?glichkeiten, aber es hat sich auch gezeigt, dass gerade Schüler*innen oftmals von der Technik, wie beispielsweise Besuche von Originalschaupl?tzen in der Virtuellen Realit?t, so abgelenkt werden, dass der eigentliche Inhalt zur Nebensache ger?t.“
Dr. Monika Müller, Fachreferentin für Geschichte am Gymnasium am ISB (Staatsinstitut für Schulqualit?t und Bildungsforschung), best?tigte die aktuelle Umsetzung der kritischen Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur im bayerischen Lehrplan. ?Geschichte spielt in der Welt eine gro?e Rolle und wir haben uns gefragt, wie wir die Schüler*innen bef?higen, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Es ist für junge Menschen wichtig zu wissen, welche historischen Ereignisse, wie aufbereitet, auf sie zukommen.“ Es sei beispielsweise wichtig beim Thema ?Erinnerung an die Kolonialgeschichte“ zu schauen, was die Erinnerung gepr?gt hat und auch zu lernen, wie sich die Erinnerung ver?ndern l?sst – ?welche Entwicklungen k?nnen wir in unserer Zeit beobachten?“ Das gleiche sei in anderer Form auch mit dem Ende der Zeitzeugenschaft bei der Erinnerung an die Shoa zu beobachten. ?Wie gehen wir damit um? Wie findet Erinnerung jetzt und künftig mit neuen digitalen Medien statt? Ganz wichtig für den Unterricht in der 11. Klasse am Gymnasium ist das Nachdenken, das Reflektieren und das Diskutieren darüber.“ Bezüglich des Einsatzes moderner Medien betonte Müller die ?Quellenkritik“, die diesbezüglich im Lehrplan festgehalten sei. ?Es geht darum, sich über die jeweiligen Formate gemeinsam mit den Schüler*innen auszutauschen. Die modernen Formate werden gefordert und auch angenommen, also muss diskutiert werden, was das beispielsweise für das Verst?ndnis von Zeitzeugenschaft bedeutet, wo sind die M?glichkeiten, wo liegen die Grenzen?“
Für den künftigen Umgang mit der Erinnerung, war sich das Plenum einig, k?nne man sich keinesfalls auf dem bislang Erreichten ausruhen. ?Es gibt keinen K?nigsweg oder einen Masterplan ?Erinnerungskultur“, der Menschen in ihren Haltungen fester, diverser oder humanistischer macht. Es ist jeden Tag harte Arbeit“, erkl?rte Prof. Skriebeleit.
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