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Aktuelles: "Das Heer der unbewussten Vorurteile ist ein schwer fassbarer Gegner"

Prof. Dr. Ursula Regener im Interview zum Amtsantritt als neue Vizepr?sidentin für Internationalisierung und Diversity

22. April 2020, von Margit Scheid

Der Bereich ?Internationalisierung und Diversity“ ist als vierter Vizepr?sident*innenposten an der UR neu geschaffen worden. Was ist der Hintergrund?

Die Themen Internationalisierung und Diversity geh?ren im Grunde von Anfang an zum Verst?ndnis dessen, was eine moderne Universit?t im Kontext demokratischer Bedingungen und sozialer Verantwortung ausmacht.

Um Wilhelm von Humboldt zu bemühen: Weltwissen und Dialog der Disziplinen garantieren die Güte der wissenschaftlichen Erkenntnis. Internationale Aktivit?ten geh?rten insofern immer schon zum Renomee von Wissenschaftler*innen wie internationale Wissenschafts-, Sprach- und Kulturprojekte zum universit?ren Leben. Die Vielfalt der Kenntnisst?nde, Interessen und Perspektiven sind die besten Filter auf dem Weg einer Idee zur wissenschaftlichen Erkenntnis.

Dass es Zeit und politisch sinnvoll wird, hier aus der Deckung zu gehen und mit der Exponierung von ?Internationalisierung und Diversity“ Flagge zu zeigen, ist eine Folge der zunehmenden Infragestellung und Dezimierung wahrhaft demokratischer, toleranter Verfasstheiten, die nicht erst seit der sogenannten Flüchtlingskrise auch hierzulande unter Druck geraten sind. Die Universit?t Regensburg stellt sich hier – wie andere Universit?ten auch – ihrer gesellschaftlichen, innen- wie au?enpolitischen Verantwortung.

Was genau verstehen Sie unter dem Begriff Diversity?

Humboldt hatte eine relativ homogene Gruppe vor Augen, wenn er von Wissenschaftlern und Studenten sprach, aber die Welt hat sich mehrfach gedreht, die wissenschaftliche Community ist l?ngst aus den alten N?hten geplatzt. Sie ist vielf?ltiger und komplexer geworden. Der demographische Wandel bringt es mit sich, dass wir es auch auf einem Campus mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion, geschlechtlicher Identit?t, Weltanschauung, Gesundheit und Altersgruppen zu tun haben. {web_name} birgt enorme (auch wirtschaftliche) Potentiale und Perspektiven, erfordert aber auch ein erweitertes Bewusstsein für Rücksichtnahmen und Umgangsformen.

Es ist eine Frage der Einstellung, dass wir uns angesichts dieser Vielfalt bereichert fühlen. Aber diese Einstellung l?sst sich nicht programmatisch verordnen, denn das Heer der unbewussten Vorurteile (implicit bias) ist ein schwer fassbarer Gegner und ein dickes Brett.

Was treibt Sie, Frau Prof. Regener, pers?nlich an, ein solches Amt zu bekleiden?

Die wissenschaftliche Neugier auf neue Horizonte, meine Motivation, gesellschaftlich und hochschulpolitisch relevante Aufgabenfelder an der UR voranzubringen und mein Wissen, dass ich bereits in vielen Bereichen auf sehr gute Vorarbeit und zuverl?ssige Kollegialit?t setzen kann.

 

Wo steht die UR heute in Sachen Internationalisierung und Diversity?

?Transnationale Drehscheibe mit internationaler Ausstrahlung“ zu sein, ist eine der zentralen Aussagen, mit der die UR ihr Selbstverst?ndnis definiert und das sich aktuell in vielf?ltig geartetem Networking mit 348 Partneruniversit?ten manifestiert. Statistisch gesehen rangieren wir nicht bei allen, aber bei den meisten Kennziffern zur internationalen Mobilit?t Studierender und Dozierender, zur Internationalit?t der Studieng?nge, zur Attraktivit?t für Alexander von Humboldt-Stipendiat*innen und zum Engagement in internationalen Kooperationen au?erhalb Erasmus noch im unteren Drittel. In der sogenannten Inhouse-Internationalisierung k?nnen wir uns dank unserer intensiv betriebenen Sprachen- und Personalpolitik sehen lassen. Beides h?ngt entscheidend von Erhalt und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Leistungsf?higkeit und Attraktivit?t unseres Standorts ab.

Diversity geh?rt dagegen zu den Themenfeldern, die erst herauspr?pariert werden müssen. Hier k?nnen wir uns aber auf dem gut etablierten Boden der Chancengleichheit weiterbewegen, ohne der Frauenf?rderung Aufmerksamkeit abzuziehen. In den letzten Wochen haben wir schon begonnen, durch eine Anpassung der Infrastrukturen Raum und Personal für Diversity zu schaffen. Auf der Webseite der Koordinationsstelle für Chancengleichheit & Diversity kann man diese Transformationen verfolgen. Ein wichtiger Schritt wird sein, die bereits vorhandenen Diversity-Akteur*innen an einen runden Tisch zu holen, auch wenn dieser zur Zeit eher wie ein Kameraauge aussieht.


Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen? Was sind Ihre Ziele?

?ber Konzepte, die die Aspekte und Handlungsoptionen beider Themenfelder systematisch erschlie?en und die diesbezüglichen St?rken und Schw?chen der UR sichtbar machen, m?chte ich alle Mitglieder der UR zu Diskussionen anregen, deren Ergebnisse schlie?lich in best practice Beispielen wissenschaftlicher Kommunikation, Gastfreundschaft und internationaler Zusammenarbeit münden. Wenn dies gel?nge, würde das Amt nachhaltig dazu beitragen, das internationale Renommee der UR fest zu etablieren und aus Internationalisierung und Diversity wissenschaftliche Energien und menschliche Werte zu ziehen, die unser Verst?ndnis von Exzellenz komplettieren.

Jetzt f?llt der Beginn Ihrer Amtszeit mitten in die Wirrungen rund um die Corona-Pandemie und zahlreiche L?nder schlie?en ihre Grenzen. Was bedeutet das für die Internationalisierung?

Vordergründig scheint das weltweite Shutdown nationalem Denken in die H?nde zu spielen und es steht zu befürchten, dass das Jahr 2020 als Knick in jede Internationalisierungsstatistik eingehen wird. Aber die Klausuren, in denen wir uns nun schon seit Wochen bewegen und denken zeitigen sicher den Effekt einer Hochsch?tzung der freien und über Grenzen schreitenden Bewegung und Begegnung. Mit Rücksicht auf unsere Klimaprobleme sollten wir dabei unsere jetzt zutage tretende F?higkeit zum Krisenmanagement und individuellen Inne- und Ma?halten nicht vergessen.


Rückt das Thema Diversity in Krisenzeiten in den Hintergrund oder ist es wichtiger denn je?

Auch hier bietet das mehrk?pfige Corona-Virus mindestens zwei Ansichten: COVID 19 ignoriert Hierarchien und Privilegien und doch trifft es die L?nder am st?rksten, deren Gesundheitssysteme nur für einen Teil der Bev?lkerung hinreichend ausgelegt sind. Auch innerhalb unserer Gesellschaft f?rdern die Corona-bedingten Einschr?nkungen Probleme zutage, die den Zusammenhalt aller stark herausfordern.
Ich schrecke jedoch davor zurück, die derzeitige Pandemie zulasten oder zugunsten universit?rer Themen auszumünzen.

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