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Aktuelles: Eine Dose von Welt im Fokus der Area Studies

Am Beispiel der Sardinendose zeigt Prof. Dr. Ulf Brunnbauer die Folgen der Globalisierung auf lokale Gemeinschaften auf

28. April 2020, von Margit Scheid

Prof. Dr. Ulf Brunnbauer spricht in der Auftaktveranstaltung des gemeinsamen Forschungskolloquiums der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien und des Leibniz-WissenschaftsCampus "Europa und Amerika in der modernen Welt" via Zoom über ?Die ?lsardine und Area Studies: Arbeitswelten, Fischkonserven und das Meer seit dem 19. Jahrhundert“.

Mit rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist das Forschungskolloquium letzten Donnerstag in die Vorlesungszeit gestartet – darunter auch Interessierte aus Berlin, Kroatien und Spanien, die dank des digitalen Formats den Vortrag verfolgen konnten. Die Erforschung der Geschichte der Sardinendose im lokalhistorischen Kontext in Istrien sei sein Hobby, erkl?rte Prof. Dr. Ulf Brunnbauer zu Beginn. Dort existiere in der Stadt Rovinj noch immer eine Konservenfabrik. Brunnbauer sei auf ein Fotoalbum der Fabrik aus den 70er Jahren gesto?en, das die Belegschaft sowohl bei der Arbeit als auch bei Betriebsfeierlichkeiten zeige. Die Personen seien meistens Frauen. Sie entspr?chen nicht ganz dem g?ngigen Bild der Bewohner einer Sardinenmetropole wie es John Steinbeck in seinem Buch ?Cannery Row“ entwerfe. Man sehe weder Zuh?lter noch Prostituierte, sondern Arbeiterinnen und einige Ingenieure und Chefs, die ein gro?es Ma? von Zufriedenheit ausstrahlten.

Eine ganz zentrale Frage, so Prof. Brunnbauer, sei die der Akteure und Akteurinnen, die dafür sorgen, dass die Sardine in eine Dose verpackt wird. Es zeige sich, dass es sich hier überwiegend um Frauen handle. Die Arbeit sei wenig attraktiv und mit teilweise unertr?glichem Gestank verbunden. Trotzdem habe eine Reihe von Interviews ergeben, dass ehemalige Arbeiterinnen eine recht nostalgische Erinnerung an die Arbeit h?tten.

Auch wirtschaftshistorisch sei die Sardinendose interessant. Die Geschichte der Konservenindustrie beginne mit den Franzosen um 1800. ?ber die Bretagne habe sich die Fischkonservenindustrie dann immer weiter ausgebreitet. In Istrien entstand die Firma Mirna in Rovinj im sp?ten 19. Jahrhundert. Produziert h?tte Mirna in erster Linie für den inner-?sterreichischen Markt und für die Armee, da Istrien damals zu ?sterreich-Ungarn geh?rte. Zwischen den beiden Weltkriegen war es ein Teil von Italien und nach dem zweiten Weltkrieg wurde es Jugoslawien zugeschlagen. Dadurch mussten die Zulieferketten, z. B. für ?l, immer wieder neu gestaltet werden.

Prof. Dr. Ulf Brunnbauer betrachtete in seinem Vortrag die Produktion der ?lsardine auch in einem umwelthistorischen Kontext. Es habe Jahrzehnte gedauert, bis die Erkenntnis akzeptiert wurde, dass die Fischerei einen sch?dlichen Einfluss auf Fischbest?nde habe.  Wenn man mit den lokalen Experten spreche, sei ihre Sorge inzwischen aber weniger die ?berfischung, sondern eher der Temperaturwandel. Aufgrund des Klimawandels k?nne man davon ausgehen, dass sich die Fauna sehr stark ver?ndern und es der Sardine irgendwann schlicht zu warm werde.

Das Beispiel der Sardinendose zeige laut Prof. Brunnbauer, dass Area Studies uns helfen, Zusammenh?nge aufzudecken, die uns so vielleicht nicht bewusst w?ren. Die Sardinendose zeige auch, dass Area Studies noch immer die Aufgabe h?tten, Wissen über konkrete Orte und Kontexte zu produzieren, in denen spezifische Probleme verortet sind. Orte seien durch globale Verflechtungen verbunden, aber wie genau, das müsse noch herausgefunden werden.


Den gesamten Vortrag finden Sie unter: https://www.youtube.com/watch?v=jhRwFcXEwyg&t=1s (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

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